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Das Entgelttransparenzgesetz und seine Bedeutung für die Gleichstellung

min Veröffentlicht am 14 Mai 2020
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Mit dem Entgelttransparenzgesetz führte die Bundesregierung aktive Maßnahmen ein, um die Gender Pay Gap zu bekämpfen. Es ist Juli 2017 in Kraft getreten mit dem Ziel, dass Arbeitnehmer*innen für eine gleichwertige Tätigkeit das gleiche Entgelt erhalten. Dadurch soll eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen werden. Das Gesetz stellt nicht nur Regeln bezüglich der Bezahlung auf, es beinhaltet auch Berichtspflichten für Arbeitgeber*innen.

1. Pflichten von Unternehmen und Auskunftsansprüche der Angestellten

Das Entgelttransparenzgesetz verpflichtet Unternehmen zur Einhaltung bestimmter Regeln bei der Bezahlung ihrer Angestellten. Von dem Anspruch auf gleiches Entgelt sollen besonders Frauen profitieren. Diese erhielten in der Vergangenheit oftmals einen niedrigeren Lohn für gleichwertige Tätigkeiten.

Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten müssen nun einen jährlichen Lagebericht über die Gleichstellung und Entgeltgleichheit erstellen. In diesem Bericht sollen Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts aufgeführt werden. Auch Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit sollen genannt werden. Da die Arbeitszeiterfassung in Unternehmen inzwischen vorgeschrieben ist, besitzen solche Berichte mehr Aussagekraft.

Ab Januar 2018 trat außerdem der individuelle Auskunftsanspruch des Gesetzes in Kraft, der Unternehmen mit mindestens 200 Beschäftigten betrifft. Unternehmen müssen offenlegen, nach welchen Kriterien sie Angestellte bezahlen. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass mindestens sechs Angestellte eine vergleichbare Position innehaben.

Angestellte erfahren über den Auskunftsanspruch jedoch nicht, welches Gehalt der Kollege oder die Kollegin exakt erhält. Se erhalten lediglich den Mittelwert des Lohns aller Angestellten mit einer vergleichbaren Tätigkeit.

Für den Fall eines Verstoßes gibt es klare Regelungen, jedoch ohne rechtliche Folgen. Der*die benachteiligte Angestellte hat rückwirkend ein Anrecht auf einen vollständigen Lohnausgleich.  Manche Länder, wie z.B. Island, führen eine öffentliche Liste über Unternehmen, die durch ungleiches Entgelt aufgefallen sind.

2. Die Ausgangslage vor Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes

Zahlreiche Studien haben sich mit dem Thema Gender Pay Gap in Deutschland beschäftigt. Vielfach stellten Forscher*innen hierbei eine mittelbare Benachteiligung von Frauen fest. Sie wurden bei vergleichbarer Tätigkeit schlechter bezahlt oder indirekt benachteiligt.

Im Jahr 2006 lag der Stundenlohn von Frauen in Deutschland bei rund 16,26 Euro. Bei Männern betrug er 20,71 Euro. Die Gender Pay Gap betrug demnach im Mittel 21 %.

Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist kein neues Phänomen und hat verschiedene Ursachen. Ein Grund ist z.B. der Umstand, dass viele Frauen nach einer Geburt in Elternzeit gehen. Danach steigen sie teilweise nicht wieder ins Berufsleben ein.

Ein Blick in andere EU-Länder zeigt, dass viele Länder ähnliche Situationen haben. So ist die Pay Gap zwischen Männern und Frauen in Frankreich, den Niederlanden oder Finnland ähnlich hoch. Italien und Slowenien hingegen fallen positiv auf. Das Entgelt für Frauen liegt hier meist weniger als fünf Prozentpunkte unterhalb des Lohnniveaus der Männer.

3. Wie die Gender Pay Gap berechnet wird

Die Berechnung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles ist recht kompliziert. Expert*innen sprechen vor allem vom unbereinigten und bereinigten Gender Pay Gaps.

Bei der unbereinigten Gender Pay Gap werden, vereinfacht gesagt, die Bruttodurchschnittslöhne direkt miteinander verglichen. Der Vergleich erfolgt dann nach Berufsbezeichnungen. Faktoren wie Altersteilzeit, Freizeitausgleich, geringfügige Beschäftigung oder Ausbildung werden nicht berücksichtigt. So entsteht ein Bild, das den realen Lohnunterschied zwischen Mann und Frau widerspiegelt. Die gesellschaftlichen Einflüsse werden hierbei jedoch nicht berücksichtigt.

Bei der bereinigten Gender Pay Gap hingegen werden persönliche Umstände ebenfalls berücksichtigt. Nur die Bruttoverdienste in vergleichbaren Lebenssituationen werden miteinander verglichen.

Beide Varianten lassen unterschiedliche Schlussfolgerungen zu. Die bereinigte Pay Gap ist deutlich niedriger als die unbereinigte. Dies liegt vor allem daran, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten und seltener in Führungspositionen vertreten sind. Während die bereinigte Gender Pay Gap zwischen 2-7 % liegt, beträgt die unbereinigte Gender Pay Gap bis zu 21 %.

Expert*innen diskutieren über die Aussagekraft beider Werte. Die bereinigte Pay Gap lässt einen direkten Rückschluss auf zwei individuelle Personen zu. Die unbereinigte Gap deckt eine allgemeine Geschlechterdiskriminierung auf.

4. Das Überprüfungsverfahren – Kontrollmechanismus des Staates

Der Gesetzgeber hat ein dreiphasiges betriebliches Prüfverfahren in das Gesetz integriert. Dieses soll systematische Benachteiligungen von Frauen aufdecken beziehungsweise vorbeugen. Es beinhaltet die Phasen Bestandsaufnahme, Analyse und einen Ergebnisbericht. Der Ergebnisbericht gibt Auskunft über die erfasste Situation und ist zur Veröffentlichung gedacht.

5. Unmittelbare Auswirkungen des Gesetzes

Ein Problem des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zeigt sich erst im Alter. Bei den Renten von Männern und Frauen gibt es mitunter noch größere Unterschiede als bei den Bruttolöhnen. Die Rentenlücke kommt durch geringere Rentenkassenbeiträge sowie weniger Arbeitsjahre bei Frauen zustande.

Die OECD hat für Deutschland im Jahre 2011 eine Rentenlücke von erschreckenden 44,8 % errechnet. Damit nimmt Deutschland den ersten Platz unter allen EU-Ländern ein. Immerhin zeigt sich eine positive Entwicklung im Verlauf der letzten Jahrzehnte, wozu auch das Entgelttransparenzgesetz seinen Beitrag leistet. Durch faire Bezahlung bei gleichwertiger Arbeit zahlen Frauen automatisch höhere Beiträge in die Rentenkassen ein.

6. Kritik am Entgelttransparenzgesetz

Während der Verhandlungen und nach Einführung des Gesetzes gab es jedoch nicht nur positive Stimmen. Die Grünen und die Linken verweigerten bei der Abstimmung im Bundestag die Zustimmung aufgrund von Detailfragen. Vielen geht das Gesetz nicht weit genug. Die Hürde von 500 beziehungsweise 200 Beschäftigten sorgt dafür, dass viele Unternehmen vom Gesetz nicht betroffen sind.

Gewerkschaften bemängeln, dass ihnen kein Verbandsklagerecht eingeräumt wird und Arbeitnehmer*innen entsprechend selbst tätig werden müssen. Angestellte in Unternehmen ohne Betriebsrat haben jedoch oftmals Angst davor, kritische Fragen zu stellen. Sie müssten zudem im Zweifelsfall selbst vor Gericht ziehen, um eine Gleichstellung zu erstreiten. In diesen Punkten ließe sich das Gesetz zur Förderung der Gleichberechtigung entsprechend noch verbessern.

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