Zwangsurlaub: Alles, was Sie wissen müssen

min Veröffentlicht am 13 Mai 2022
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Im arbeitsrechtlichen Kontext fällt das Wort Zwangsurlaub immer mal wieder. Und während es sich zumindest zur Hälfe nach Erholung anhört, gibt die Silbe „Zwang“ dem Begriff einen negativen Beigeschmack. Was also genau ist Zwangsurlaub und wann wird er verordnet? Lesen Sie hier, was sich hinter dem Begriff verbirgt und unter welchen Bedingungen Ihr Arbeitgeber ihnen eine Erholungszeit anordnen kann.

Was genau ist Zwangsurlaub?

Zwangsurlaub ist ein vom Arbeitgeber verordneter Erholungsurlaub. Anders als der freiwillige Urlaub wird er ohne vorherigen Antrag seitens des Arbeitnehmers angeordnet. Nach deutscher Rechtslage ist dieser Urlaub nur unter wenigen Voraussetzungen zulässig.

Wann darf er durch den Arbeitgeber angeordnet werden?

Grundsätzlich ist im deutschen Arbeitsrecht geregelt, dass der Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen muss. Festgehalten ist dies im Bundesurlaubsgesetz (BurlG). Deshalb richten sich die Urlaubszeiten in der Regel nach den vom Arbeitnehmer beantragten Zeiten. Seitens des Arbeitgebers angeordneter Urlaub setzt einen wichtigen Grund voraus.

Bestehen „dringende betriebliche Belange“, kann Zwangsurlaub (oder im Gegensatz dazu ein Urlaubsverbot)durch den Arbeitgeber gerechtfertigt sein. Er benötigt dann keine Zustimmung mehr seitens des Arbeitnehmers. Die Erholungszeit kann entweder nur für einzelne Arbeitnehmer oder für die gesamte Belegschaft angeordnet werden. Das ist abhängig von der jeweiligen betrieblichen Situation und Aufgabenverteilung.

Beispiele für „dringende betriebliche Belange"

Als „dringende betriebliche Belange“ gelten je nach Branche verschiedene Dinge. Eine allgemeingültige Definition gibt es nicht. Generell kann dazu gehören, dass der Betrieb ein Saisonbetrieb ist (dann wird außerhalb der Saison eine Erholungszeit angeordnet) oder dass der Betrieb in einer Krise steckt (beispielsweise durch einen unerwartet hohen Kundenverlust).

Betriebe, die ohne den Chef nicht funktionsfähig sind, können zwanghafte Erholungspausen anordnen, wenn der Chef unerwartet ausfällt. Typische Beispiele für diesen Fall sind Arztpraxen oder Anwaltskanzleien. Ohne den Arzt oder Anwalt kann der Betrieb schließlich nicht fortgesetzt werden. Generell kann Zwangsurlaub durch den Arbeitgeber auch in einem Arbeits- oder Tarifvertrag festgehalten werden.

Zwangsurlaub oder Betriebsferien - Was ist der Unterschied?

Betriebsferien spielen in den Fällen, in denen ein Betrieb ohne die Anwesenheit des Chefs nicht funktioniert, eine Rolle. Hier nehmen die Mitarbeitenden regelmäßig dann Urlaub, wenn der Chef auch abwesend ist – nicht nur in unerwarteten Fällen, sondern geplant. Da in diesen Fällen der gesamte Betrieb ausfällt, spricht man von Betriebsferien. Sie kennen das sicher von Ihrem Hausarzt oder Zahnarzt. Im Grunde haben die Mitarbeiter hier also ähnlich wie beim Zwangsurlaub durch den Arbeitgeber auch keine Möglichkeit, den Urlaub nach eigenen Vorstellungen zu planen. Die Betriebsferien sind jedoch regelmäßig bereits im Arbeitsvertrag geregelt.

In welchen Fällen ist die Anordnung von Urlaubszeiten unzulässig?

Sind Entwicklungen für den erzwungenen Urlaub verantwortlich, die zum sogenannten „wirtschaftlichen Risiko“ gehören, ist die Anordnung unzulässig. Dazu gehören beispielweise allgemeine Auftragsflauten oder betriebliche Störungen, die in den Verantwortungsbereich des Managements fallen. Solche und ähnliche Schwierigkeiten treten in jedem Betrieb von Zeit zu Zeit auf. Sie gehören zum allgemeinen Risiko der Unternehmen und dürfen nicht in Form von Urlaubsanordnungen auf die Arbeitnehmer verteilt werden.

Welche Rolle spielt der Betriebsrat?

Dem Betriebsrat – sofern er vorhanden ist – steht ein Mitbestimmungsrecht zu. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht ohne Einbeziehung des Betriebsrat über den angeordneten Urlaub entscheiden darf. Der Betriebsrat muss nach Überprüfung von alternativen Möglichkeiten ausdrücklich zustimmen.

Werden Zwangsurlaubstage vom Urlaubsanspruch abgezogen?

Auch die Urlaubsanordnungen verhalten sich in diesem Fall wie der freiwillig genommene Urlaub: Der Urlaubsanspruch pro Jahr ist begrenzt und von diesem werden auch die durch den erzwungenen Urlaub entstanden Tage abgezogen. Zwangsurlaub beinhaltet also keinesfalls zusätzliche Urlaubstage.

Was passiert, wenn der Urlaub bereits genommen wurde?

Sie haben den Urlaub bereits genommen und sollen nun zwangsweise in die Erholungszeit geschickt werden? Dann liegt dies im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Wenn Sie bereits alle oder den Großteil der Urlaubstage genommen haben und erst danach Urlaub aufgezwungen bekommen, verbietet das Gesetzt, dass Ihnen daraus ein Schaden entstehen kann. Theoretisch müssten Sie weiter arbeiten, wenn alle Urlaubstage verbraucht sind.

Möchte der Arbeitgeber Sie trotzdem in den Urlaub schicken, darf er das nur, wenn es betrieblich nicht anders möglich ist. Rechtlich gesprochen wird diese Situation Annahmeverzug genannt: Sie haben Ihre Arbeit angeboten, doch Ihr Arbeitgeber nimmt sie nicht an. Sie sind damit nicht mehr für die Situation verantwortlich und Ihr Arbeitgeber kann sie allenfalls ersatzweise bezahlt freistellen. Alternativ könnte er Sie auch ins Homeoffice versetzen, sofern dies dem Betrieb in der jeweiligen hilft.

Zwangsurlaub durch Arbeitgeber bei Kündigung – wie ist die Rechtslage?

Nach deutschem Arbeitsrecht haben Sie als Arbeitnehmer auch innerhalb der Kündigungsfrist grundsätzlich ein Recht auf Beschäftigung. Damit ist Zwangsurlaub auch nach einer Kündigung nicht ohne Weiteres möglich. Allerdings kann der Arbeitgeber nach Kündigung eine einseitige Suspendierung veranlassen, wenn besonders schutzwürdige Gründe vorliegen. Solche Gründe sind beispielsweise eine befürchtete Sabotage, der Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder eine andere Gefährdungslage. Allerdings behält der Arbeitnehmer dabei den Anspruch auf Vergütung.

Welche Alternativen gibt es zum Zwangsurlaub?

Der erzwungene Urlaub soll nicht das erste Mittel der Wahl sein. Arbeitgeber sind dazu angehalten, zunächst alternative Möglichkeiten zu prüfen. Dazu gehören beispielsweise der Überstundenabbau sowie andere Formen von Zeitguthaben. Auch die Einführung von Kurzarbeit oder die anderweitige Reduzierung der Arbeitszeit sowie die Einschränkung von Schichtarbeit sind mögliche Alternativen. Letztlich kann auch die Entlassung von Leiharbeitern ein Ausweg sein, der vor der Urlaubsanordnung erfolgen kann. Nur wenn diese Möglichkeiten nicht zweckdienlich sind, darf der Arbeitgeber zur Urlaubsanordnung greifen.

Fazit

Arbeitgeber können Arbeitnehmer in den Zwangsurlaub schicken, sofern sie dafür besondere Gründe haben. Solche Gründe müssen dringende betriebliche Belange betreffen, etwa eine besondere Krisenlage des Unternehmens. Nach Kündigung kann der Arbeitgeber zudem eine Suspendierung vornehmen, wenn er eine Gefährdungslage durch die Anwesenheit des Arbeitnehmers befürchtet. Grundsätzlich müssen vor angeordneten Urlaubstagen alle Alternativen geprüft werden. Im Sinne des Arbeitnehmerschutzes müssen harmlosere Varianten bevorzugt werden.

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